Seit Tagen kursieren furchtbare Bilder aus einem Tierversuchslabor in der Nähe von Hamburg, in dem Toxizitätstests durchgeführt werden. Nach Informationen des „Spiegel“ hat sich die Staatsanwaltschaft eingeschaltet und ermittelt wegen Tierquälerei. Die Bilder sind schwer zu ertragen – auch für diejenigen von uns, die schon selbst Tierversuche durchgeführt haben. Das ist der Moment, in dem der Name unseres Vereins in die Irre führen kann. Pro-Test. Daher hier zur Klarstellung und in aller Deutlichkeit:

Wir Pro-Testler (TierpflegerInnen, ForscherInnen, TierärztInnen) sind gegen jede Form der Tierquälerei, einschließlich jeglicher Vernachlässigung! Schlechte oder grausame Tierhaltungen und Tierversuche darf es nicht geben. Wir sind der Überzeugung, dass es echte, wichtige, ethisch vertretbare Tierversuche gibt, und nur diese unterstützen wir! Aber die sollten niemals so aussehen, wie in dem Video, und wir haben dergleichen auch noch nie selbst gesehen. Wir sind zutiefst betroffen und hoffen auf eine lückenlose Aufklärung und eine gründliche juristische Aufarbeitung, denn unabhängig davon, ob aus Absicht oder Fahrlässigkeit: das Wohlergehen der Tiere muss Priorität haben.

Was hier im Einzelfall und im Konkreten passiert ist, das wissen wir nicht. Wir müssen die juristischen Untersuchungen abwarten. Falls hier etwas schiefgegangen ist, muss das nicht nur aufgearbeitet werden, sondern auch dafür gesorgt werden, dass es sich nicht wiederholt.

Doch das Video polarisiert. Tierversuche sind ein kontroverses Thema – und wir möchten mit unserer Vereinsarbeit zu einer fairen Debatte beitragen. Ein Post auf unserer Facebook-Seite zum LPT-Skandal erreichte innerhalb von einem halben Tag nicht nur über 4000 Personen, sondern verzeichnete die für unsere Verhältnisse schier unfassbare Zahl von über 300 Kommentaren. Darunter waren viele Kommentare von Tierversuchsgegnern. Dem möchten wir uns stellen. Ich gebe zu: Es war ein seltsames Gefühl, die erste Antwort von meinem privaten Account zu posten. Ich mache mich angreifbar. Allein hätte ich mich das wohl nicht getraut, aber ich weiß, dass ich Kollegen im Rücken habe. Und Schweigen ist keine Option – erst recht nicht auf unserer eigenen Facebook-Seite. Wie bleibt man cool, wenn man als brutal, grausam und sadistisch beschimpft wird? Wie bringt man seine Argumente für so ein komplexes Thema wie Tierversuche in der Kommentarspalte unter? Nicht einfach.

 

Schritt 1:

Die Gegenargumente ernst nehmen. Ich bin Biologin. Tierversuche waren schon im Studium Thema. Aber der Großteil der Bevölkerung kommt damit kaum in Berührung. Die Bilder, die man beim Googlen findet, sind oft grausam. Da ist es doch nicht verwunderlich, dass man dem Ganzen erst einmal ablehnend gegenübersteht. Aber es gibt auch gute Argumente für Tierversuche. Davon bin ich überzeugt. Und darum nehme ich mir auch die Zeit und lasse mich auf eine Diskussion ein. Es ist wichtig, dass wir uns zu Wort melden. Wir sprechen nicht nur die Leute an, die sich direkt an uns wenden, uns zum Teil sogar beschimpfen. Wir wenden uns auch an alle, die einfach nur mitlesen und zuhören, die sich informieren wollen, die offene Ohren für das Thema Tierversuche haben. Und wenn sie doch fragen: Wir antworten. Wir sind Pro-Test. Wir sagen: Es gibt Tierversuche, die sinnvoll und wertvoll sind. Diese befürworten wir. Schlechte und grausame Tierversuche lehnen wir ab.

 

Schritt 2:

Klarmachen, wer wir eigentlich sind. Pro-Test ist keine „Lobbygruppe“ – wir sind ein gemeinnütziger Verein, wir finanzieren uns aus privaten Spenden und wir setzen uns ehrenamtlich für bessere, d.h. sachliche, faktenbasierte Kommunikation und fairen Dialog zu diesem unglaublich schwierigen und komplexen Thema ein. Das macht uns unabhängig. Niemand gibt uns vor, was wir zu sagen haben. Genauso gibt Pro-Test seinen Mitgliedern nicht vor, was sie zu sagen haben. Was uns eint, sind der Wille zu besseren Diskussionen und dass wir das Thema eben nicht so schwarz/weiß sehen, wie viele andere, sondern glauben, dass es wichtige Tierversuche gibt. Ich sage immer: Nichtkommunikation ist immer schlechte Kommunikation. Das ist es genau, was mich an vielen öffentlichen wie privaten Einrichtungen, in denen Tierversuche stattfinden, stört: Es gibt keine Information über das, was dort passiert, obwohl die Versuche dort legal sind und viele ForscherInnen und TierpflegerInnen ihre Arbeit gewissenhaft erledigen. Warum viele nicht gern darüber reden, sieht man in unserer Facebook-Kommentarspalte sehr gut. Doch etwas ändert sich: hier und da verpflichtet sich doch ein Institut zu mehr Transparenz und das finde ich wunderbar. Trotzdem werde ich nicht müde, weiter dafür zu werben. Denn nur mit offener Kommunikation haben wir die Möglichkeit einer Diskussion auf Augenhöhe und nur dann können wir auf Verständnis und Akzeptanz hoffen.

 

Schritt 3:

Die Beleidigungen ausblenden. Leichter gesagt als getan. Aber ich glaube, es ist wichtig, respektvoll im Umgang miteinander zu bleiben. Manchmal hilft es mir, mir klarzumachen, dass die Bilder in den Köpfen der meisten Menschen aus blutverschmierten Haustieren (Kaninchen, Hunde, Katzen) bestehen. Dass das längst nicht für alle Tierversuche gilt, dass es Tierversuche gibt, die ohne Schmerzen für das Tier ablaufen, dass Maßnahmen zum Wohl der Tiere getroffen werden (müssen) – das ist vielen einfach nicht klar. Erklärungen sind notwendig.

 

Schritt 4:

Schreiben. Infos raussuchen, nachfragen, Hilfe holen. Und dann schreiben. So wie ich diesen Text hier. Und jetzt du.