In vitro Fleisch ist eine interessante Entwicklung. Nebenbei entlarvt es die völlig absurde Ethik einiger Tierrechtsorganisationen.
Die Start-up Firma Memphis Meats präsentierte gerade dieses Video, in dem ein Fleischklops gebraten wird. Das Besondere: Er wurde in vitro gezüchtet. Aus Muskelzellen. Eine Frikadelle aus echtem Rindfleisch, für die kein Tier geschlachtet werden musste. An dem Projekt „in vitro Fleisch“ wird von mehreren Gruppen weltweit gearbeitet. Noch ist das produzierte Fleisch sehr teuer. Aber es ist eine realistische Hoffnung, dass die Produktion eines Tages nicht teurer ist, als die von echtem Fleisch. Diese Forschung erfährt enthusiastische Unterstützung von verschiedenen Tierrechtsorganisationen. Verständlich. Dem Fleischkonsum fallen schließlich mit Abstand die meisten Nutztiere zum Opfer. 784 Millionen pro Jahr alleine in Deutschland. Fische nicht mitgezählt. Zum Vergleich: In Tierversuchen sterben etwas weniger als drei Millionen. Qualitativ hochwertiges Fleisch, ohne tote Tiere – für viele eine Traumvorstellung.
Bei den Berichten über das in vitro Fleischbällchen, wie schon bei der in vitro Frikadelle zwei Jahre früher, kommt aber ein Detail oft zu kurz. Ganz ohne den Tod von Tieren kamen auch diese Leckerbissen nicht aus. Um tierische Muskelzellen in vitro zu züchten, brauchen wir eine wichtige tierische Zutat: fötales Kälberserum, kurz FKS. FKS wird aus dem Blut ungeborener Kälber gewonnen, wenn die Mutterkühe geschlachtet werden. Es enthält Nährstoffe und Wachstumsfaktoren, die viele Zelltypen in Kultur zum Wachsen benötigen. Welche genau das sind, ist nur unzureichend aufgeklärt. Daher gibt es auch keinen befriedigenden Ersatz.
Nun ist das kein prinzipielles Problem mit in vitro Fleisch. Mit ausreichend Grundlagenforschung können wir verstehen, was genau die wichtigen Faktoren im FKS sind und sie vielleicht schon bald künstlich herstellen. In vitro FKS, sozusagen. Das würde nicht nur aus dem in vitro Fleisch ein wirklich veganes Gericht machen, sondern wäre auch von enormem Nutzen für die Forschung mit in vitro Zellkulturen. Synthetische Zutaten lassen sich nämlich besser kontrollieren als tierische Bestandteile, die immer natürlichen Schwankungen unterliegen. Das erhöht die Qualität der Ergebnisse. Rundum ein Gewinn. Allerdings: heute sind wir noch nicht so weit. Wenn wir also die Entwicklung von in vitro Fleisch (und natürlich all die andere in vitro Forschung) nicht für unbestimmte Zeit auf Eis legen wollen, müssen wir vorerst FKS benutzen.
Es handelt sich hier um eine nachvollziehbare ethische Abwägung. Zur Erreichung des Ideals „in vitro Fleisch“ nehmen Tierrechtsorganisationen in Kauf, dass wir heute noch FKS benutzen müssen. Heute müssen Tiere sterben, damit wir in Zukunft ein wertvolles Ziel erreichen können, das dieses Opfer rechtfertigt.
Meine Frage an diese Organisationen ist aber: Warum lasst Ihr die gleiche Logik nicht gelten, wenn wir FKS für die Krebsforschung benutzen? Warum lasst Ihr die gleiche Logik nicht gelten, wenn wir für die Alzheimerforschung Mäuse töten? Kompromisslose Ablehnung dieser Forschung findet man hundertfach, wenn man „Tierversuche“ googelt. „Kein Tier soll schwanger getötet werden“ (zur Erinnerung: dann gibt es auch kein FKS)‚“ Selbst wenn wir zur Benutzung von Tieren keine Alternativen hätten, (…) wären Tierversuche aus ethischen Gründen noch immer inakzeptabel“ und andere Abwandlungen von ‚Forschung, die heute auf Tierversuche angewiesen ist, muss auf Eis gelegt werden, bis wir alternative Methoden entwickelt haben‘. Das muss man erst mal verdauen. In den Augen dieser Organisationen rechtfertigt die Entwicklung einer „schuldfreien“ Frikadelle etwas, das die Entwicklung eines Krebsmedikaments nicht rechtfertigt. Ein Fleischbällchen hat einen höheren ethischen Wert als die Rettung eines Menschlebens. Haarsträubend.
Wir haben schon früher darauf hingewiesen wie absurd es ist, dass in Umfragen 57% der Bevölkerung angeben, gegen medizinische Tierversuche zu sein, während gleichzeitig nur etwa 9% bereit sind, auf Fleisch zu verzichten. Wenn meine Ethik zu derart absurden Prioritäten führt, sollte das ein klares Signal für mich sein, dass ich da noch mal ein paar Dinge überdenken müsste. Das gilt auch für Organisationen. Ihr seid herzlich eingeladen, relevante Hintergrundinformationen auf unserer Seite nachzulesen. Wir sind auch immer bereit, weiterführende Fragen zu beantworten und über ethische Probleme zu diskutieren. Schreibt uns hier, oder kommentiert auf unserer Facebook Seite.
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