Mitte September war die gemeinsame Jahrestagung der Gesellschaft für Versuchstierkunde (GV-Solas) und der Interessensgemeinschaft der Tierpflegerinnen (IGTP) in Köln. Drei Tage lang wurde unter anderem darüber diskutiert, wie man Versuchstiere optimal hält, wie man die Belastung einer gentechnisch veränderten Mauslinie einschätzt, oder wie man am besten über Tierversuche kommuniziert. Da waren wir von Pro-Test Deutschland natürlich nicht weit!

Tagungsort Köln (quelle: https://commons.m.wikimedia.org/wiki/File:11.08.2007._K%C3%B6ln_-_panoramio.jpg, Sandor Bordas)
Gleich vier Mitglieder waren vor Ort, um die neuesten Entwicklungen mitzubekommen. Unser Lars moderierte eine Session über Neuigkeiten bezüglich des 3R-Prinzips (replace, reduce, refine, also Tierversuche ersetzen, reduzieren, verbessern). Dort stellten Wissenschaftler z.B. Untersuchungen darüber vor, mit wieviel Einstreu im Käfig sich eine Maus am wohlsten fühlt, oder welches Spielzeug im Käfig am besten angenommen wird. Das sind Beispiele für das am wenigsten medienwirksame aber genauso wichtige R: refinement. Wir können nicht alle Tierversuche ersetzen. Dann müssen wir die, die übrig bleiben, so gestalten, dass sie so wenig Belastung für die Tiere wie möglich bedeuten. Wie in jedem Bereich der Wissenschaft gibt es auch hier ständig neue Ideen und Erkenntnisse, unter anderem darüber, wie Tiere am besten zu halten sind. In diesem Bereich immer auf dem neuesten Stand des Wissens zu sein, sollte Ziel jeder Versuchstierhaltung sein! Im Interesse der Tiere müssen neueste Erkenntnisse schnellst möglich in der Praxis ankommen, nicht erst wenn sie sich als offizielle Empfehlung niederschlagen.
Unser Flo hielt einen Vortrag in einer Session über Öffentlichkeitsarbeit. Der vollbesetzte Saal zeugte vom großen Interesse am Thema. Neben Pro-Test waren weitere hochkarätige Experten vor Ort: Kirk Leech von EARA, Stefan Treue von Tierversuche Verstehen (außerdem Direktor des deutschen Primatenzentrums), und Boris Jerchow, der von den Protesten gegen den Bau eines modernen Tierhauses am MDC Berlin und dem äußerst erfolgreichen Kommunikationskonzept berichtete, mit dem das Institut reagiert hatte.
Alle Vortragenden waren sich einig: Kommunikation über Tierversuche muss proaktiv erfolgen! Wenn die Institute erst dann über Tierversuche sprechen, wenn sie durch Angriffe oder Schlagzeilen dazu gezwungen werden, sind sie in der Defensive. Dann ist es zu spät, den Sinn und Nutzen der Tierversuche in Ruhe zu erklären. Stattdessen müssen die Institute von sich aus das Thema in die Öffentlichkeit bringen. Umso erschreckender die Zahlen, die Kirk Leech präsentierte: Nur etwa 10% der deutschen Universitäten haben überhaupt ein Statement zu Tierversuchen auf ihrer Internetpräsenz!
Einigkeit herrschte auch darüber, dass die Verpflichtung, über Tierversuche aufzuklären, nicht einfach an eine große Vereinigung wie Tierversuche Verstehen abgeschoben werden könne. Die Unis und Institute müssten zusätzlich selbst über ihre eigenen Versuche berichten. Nur so könne eine Vielstimmigkeit entstehen, die den wissenschaftlichen Konsens zu diesem Thema deutlich mache. So sollten bei jeder wissenschaftlichen Erfolgsmeldung, die ein Institut an die Presse gebe, die Rolle von Tierversuchen für diesen Fortschritt erwähnt werden.
Ein weiteres Thema, das auch vom Publikum rege diskutiert wurde, wurde von Flo eingebracht: die Tierversuchskommunikation innerhalb der Institute. Die Menschen, die täglich mit Versuchstieren arbeiten, Wissenschaftler, Tierärzte, Tierpfleger, müssen in die Öffentlichkeitsarbeit ihrer Einrichtungen eingebunden werden. Es wird schließlich über ihre Arbeit geredet, da sollten sie auch mindestens mal gefragt werden, wie sie die Kommunikation ihrer Pressestellen überhaupt finden. Es muss jedem Mitarbeiter möglich sein, eventuelle Probleme anzusprechen, ohne negative Konsequenzen fürchten zu müssen. Dazu braucht es klare interne Kommunikationsstrukturen. Einerseits hilft das, die Einhaltung der Regeln und Auflagen konsequent zu gewährleisten. Anderseits muss es aber auch für das Ansprechen ethischer Zweifel jenseits der verpflichtenden Auflagen einen Platz geben. Besonders Berufsanfänger dürften mit ihren Fragen nicht alleine gelassen werden, wie Wortbeiträge aus dem Publikum anmerkten.
Voraussetzung für die Kommunikation sowohl nach innen als auch nach außen seien Ehrlichkeit und Offenheit, argumentierte Stefan Treue. Man müsse z.B. bereit sein, Fehler einzugestehen, die in der Wissenschaft gemacht werden. Auch in der Diskussion mit Tierversuchsgegnern sollte man seine Offenheit gegenüber ihren Argumenten bewahren. Das entspricht den Erfahrungen, die wir bei Pro-Test gemacht haben. Obwohl uns in Diskussionen sehr viele Argumente begegnen, die einfach auf falschen Tatsachen beruhen, sind auch immer wieder gute und valide Punkte dabei, insbesondere zur ethischen Bewertung von Tierversuchen. Führt man eine Diskussion auf Augenhöhe, ist man nicht nur glaubwürdiger, sondern profitiert auch selbst viel mehr, indem man immer wieder neue Sichtweisen kennenlernt.
wie üblich gute, sachliche Berichterstattung!
Es wäre doch mal nett, einen kleinen Bericht zu den Refinement-Versuchen bei Mäusen zu machen (mit Bildern!). Ich glaube, der Öffentlichkeit ist überhaupt nicht bewusst, dass daran gearbeitet wird und schon gar nicht, wie!