Wie Bienenforschung das Internet verbesserte

Der Verhaltensbiologe Thomas D Seeley erforschte in den 1980er und 90er Jahren, wie Honigbienen entscheiden, wieviele Sammler zu welchem Futterplatz geschickt werden. Er fand heraus, dass es keinen Boss gibt und keine Managementetage. Wie kann das gutgehen? Schließlich hängt das Überleben des Bienenstocks davon ab, dass das Futtersammeln effizient abläuft, also jede Biene dahin fliegt, wo sie am dringendsten gebraucht wird.

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Eine Biene beim Pollensammeln (Quelle: Wikipedia)

Eine Sammlerbiene, die von einem „Einsatz“ zurückkehrt, weiß, wieviel Nektar sie dabei hat, also wie lukrativ der Futterplatz ist. Jetzt achtet sie darauf, wie lange es dauert, bis eine Arbeiterbiene ihr die Ladung abnimmt und verstaut. Wenn das lange dauert, kommt gerade sehr viel Nektar rein und alle haben zu tun. Dann lohnt es sich nicht, zu mittelmäßigen Futterplätzen zu fliegen. Wenn aber sofort eine Arbeiterbiene zur Stelle ist, muss Nektarflaute herrschen. Basierend auf diesen beiden Informationen – wie gut ist mein Futterplatz und wie ist gerade die Gesamtausbeute – entscheidet die Sammlerbiene, ob sie Kolleginnen zu ihrer Futterquelle rekrutieren soll. Das macht sie mit dem berühmten Schwänzeltanz. Je beherzter sie schwänzeltanzt, desto mehr sollen mitkommen.

In diesem Video erklärt Seeley diese und andere Ergebnisse aus seiner Forschung:

Die Bienen benutzen also einen Algorithmus. Ein selbstorganisierendes System, das dazu führt, dass die Sammlerbienen immer effizient auf die Futterplätze verteilt sind. In den 90ern kollaborierte Seeley mit Craig A Tovey und John V Vate, die diesen Algorithmus auch mathematisch verstehen wollten. Sie fanden heraus, dass die Bienen mit diesem System unter stark variablen Bedingungen noch effizienter waren, als wenn sie sich nach ingenieurwissenschaftlicher Definition „optimal“ auf die jeweils aktuellen Nahrungsquellen verteilen würden.
Jahre später hatte Tovey eine Besprechung mit seinem jungen Doktoranden Sunil Nakrani. Der suchte eine Lösung für ein Problem von Webserver-Betreibern. Aus Sicherheitsgründen läuft auf einem Server immer nur eine Anwendung gleichzeitig. Zwischen Anwendungen wechseln kostet Zeit, und muss daher so effizient wie möglich passieren. Der Bedarf durch die Internet User ändert sich aber ständig, so dass die Aufteilung von Ressourcen flexibel sein muss. „Das ist ja genau wie das Sammelbienen-Verteilungsproblem“, rief Tovey und gab seinem verdutzten Studenten Literatur aus der Verhaltensbiologie zu lesen. Die Server-Ressourcen sind wie die Sammelbienen. Der Bedarf der User – also die Anfragen zahlender Kunden – sind wie verschiedene Futterquellen. Nakrani zeigte in seiner Doktorarbeit, dass der Bienen-Algorithmus eine viel effizientere Servernutzung möglich machte, als state-of-the-art Methoden. Sogar unter der Annahme, dass die in die Zukunft gucken könnten!

Der Bienen-Algorithmus und ähnliche von der Natur inspirierte Methoden werden heute auf Server-Farmen benutzt, um aus den vorhandenen Resourcen möglichst viel Internet rauszuholen. Die beteiligten Wissenschaftler hatten keine Ahnung, wofür ihre Arbeit nützlich sein könnte. Derartige Forschung wird nur von manchen Wissenschaftsförderern finanziert, und wird immer wieder angegriffen, u. a. von Tierschutzorganisationen: neugiergetriebene Grundlagenforschung.

Für den Bienen-Algorithmus wurde in diesem Jahr der Golden Goose Award verliehen, mit dem eindrucksvolle Beispiele eines unvorhersehbaren Nutzens von Grundlagenforschung gewürdigt werden.
Seeleys Forschung zum Bienenverhalten begann, bevor das www überhaupt existierte. Sie baute auf Arbeiten auf, die noch Jahrzehnte früher stattfanden, wie der des Verhaltensforschers Martin Lindauer. Grundlagenforscher sind wie Kundschafterbienen. Wir wissen nicht, was sie finden und zu was es nütze sein wird. Aber wir wissen, dass wir gar nichts finden, wenn wir sie nicht losschicken.