Ersties sind die Besten!

Pro-Test Deutschland als Button

Zum Beginn des Wintersemesters waren wir von  Pro-Test auf der Ersties-Einführung der Uni Tübingen. Die meisten von uns sind jetzt noch nicht so ewig aus dem Studium, viele studieren selbst noch. Ich schon lange nicht mehr, OK, aber ich bin ja auch der Uropa bei Pro-Test mit meinen 40 Jahren. Naja, jedenfalls liegt es nahe, dass die studierende Bevölkerung für uns eine wichtige Zielgruppe ist. Deswegen war ich richtig happy, als die Uni Tübingen uns eingeladen hat, im Rahmen ihrer Erstie-Einführung am 19. Oktober 2017 einen Infostand zu machen.

Die offizielle Erstie-Einführung mit Ansprache des Rektors usw. ist eine erwartungsgemäß erhebend-dröge Angelegenheit. Aber im Anschluss gibt’s im Hörsaalzentrum immer einen Haufen Stände, die über alle möglichen Aktivitäten und Hochschulgruppen informieren, und das ist immer ein Klasseabend. Da merkt man zum ersten Mal, was an der Uni so läuft, als Erstie weiß man ja Vieles einfach noch nicht. Von Studentenwerk und Fachschaften über Hochschulsport und Studi-Radio bis hin zu den politischen Hochschulgruppen ist alles dabei. Wer’s zu Studienbeginn wissen will, kann so gleich schonmal rausfinden, ob hier Kanupolo angeboten wird oder es eine Ortsgruppe der Internationalen Anarchistischen Volksfront gibt. “Dies Universitatis” muss sowas an der Hochschule dann natürlich heißen, ist doch toll, wenn man mit seinem großen Latinum auch mal was anfangen kann…

Zu unserem Stand sind wir auf einem etwas krummen Umweg gekommen: Die Tübinger Tierschützer haben uns dazu verholfen! Der lokale Verein “Act for Animals” hatte die Universitätsleitung nämlich gebeten, teilnehmen und einen Stand organisieren zu dürfen. Die Tierschützer bekamen die Erlaubnis zu einem Stand. Nun wollte man aber seitens der Uni gern auch noch eine andere Stimme zum Thema Tierversuche einladen, und da erinnerte man sich an diesen Verein, der in Tübingen ja auch aktiv ist und was zum Thema zu sagen hat. Eine nette Einladung später waren wir Pro-Testler mit von der Partie. Danke, Act for Animals! Und Danke für die ausgewogene Lösung und Offenheit für das heiße Eisen, Uni Tübingen!

Zum 19. Oktober haben wir dann unsere schicken T-Shirts angezogen, die wir zum Science March dieses Frühjahr gedruckt hatten. Soviel Auslauf haben die bisher nämlich noch nicht bekommen.

Offizielles Pro-Test Deutschland T-Shirt

Unsere T-Shirts: Blau ist das neue Schwarz!

Wir haben tonnenweise Flyer und Laminate mitgenommen, dazu ein paar (vegane) Kekse – irgendjemand hat uns den Tipp gegeben, dass Futteralien bei den Ersties gut ankommen. Dann habe ich noch eine allgemeine “Worum geht’s bei Pro-Test Deutschland”-Präsentation zusammengeklickt, die den ganzen Abend auf einem Laptop-Bildschirm in Dauerschleife lief. Die hat, glaube ich, den ganzen Abend über genau gar keine Person angeschaut. Naja, war auch mehr als eyecatcher gedacht.

Und dann standen wir da, Marie, Pooja, Artur und ich, und warteten auf Kundschaft. Es war ganz schön was los, und wie es der Zufall (oder die Universitätsleitung?) wollte, befand sich unser Stand direkt neben dem Haupteingang des Hörsaalzentrums. Also, so 30 Zentimeter von der Tür entfernt. Wie großartig das ist, wenn man zufällig eine metrische Tonne kleiner blau-weißer Flyer dabei hat, ist uns nach ein paar Minuten klar geworden: Ausnahmslos jede*r Vorbeikommende bekam erstmal so ein Ding in die Hand gedrückt. Besonders Artur hat so eine charmant-aggressive Art, Flyer zu verteilen, dass man sich schon aktiv in Sicherheit bringen muss, um mit leeren Händen davonzukommen. Irgendwie schafft er es dabei sogar, dass die Leute ihm nicht böse sind!

Und die Flyer haben die Leute nicht nur behalten, sondern auch gelesen. Und dann sind sie zu uns zurückgekommen, haben Fragen gestellt, waren nett, haben sich bedankt… Im Laufe des Abends wurde mir allmählich klar: Ersties sind die Besten!

Marie ins Gespräch vertieft

Marie verteilt Flyer, Paul macht Fotos. Mit seiner Handykamera. Die wirklich Mist ist. Nicht zuhause nachmachen!

Ich kannte bis jetzt natürlich nur das Publikum auf der Straße. Da wird man so an jeden zehnten Passanten mal einen Flyer los. Und aus irgendeinem unerfindlichen Grund scheinen auf der anderen Straßenseite immer wesentlich mehr Leute unterwegs zu sein als auf der eigenen. Wenn man nach ein paar Stunden seinen Posten verlässt, sieht man in jedem Mülleimer, an dem man vorbeikommt, einen Haufen Flyer liegen. Manche liegen auch auf dem Boden herum. Um ins Gespräch zu kommen, muss man die Leute ansprechen und ein paar Schritte mitgehen, und viele wollen einfach nicht. Was natürlich aber sowas von OK ist! Man mag nicht unbedingt von Fremden angesprochen werden oder alles lesen, was man in einem unbedachten Impuls erst einmal angenommen hat, und vor allem hat man vielleicht gerade was anderes zu tun als anzuhalten und sich ausgerechnet über Tierversuche zu unterhalten.

"Wir müssen reden" – Unser Flyer ist ein guter Konversationsstarter

Was Leute sagen, die einen Blick auf unseren Flyer geworfen haben: „Ach ja? Worüber denn?“ ––– Was wir denken, wenn Leute das sagen: „Strike! Die Dinger funktionieren!“

Hier aber war das vollkommen anders. Ersties sind vor allem eines: ungeheuer neugierig. Ich hatte ja die Befürchtung, dass viele nur kommen, um an jedem Stand ein paar Goodies abzustauben. Aber das war absolut nicht der Fall. Die allermeisten waren richtig guter Laune und begierig darauf zu entdecken, was an der Uni und in ihrem Umfeld so läuft. Viele kamen direkt an den Stand und stellten die Frage des Abends: “Und was macht Ihr so?” Und schon war man im Gespräch.

Pooja erklärt, wer wir sind und was wir machen

„Und was macht ihr so?“ – Pooja erklärt’s Dir!

Die häufigste Reaktion auf unsere Selbstbezichtigungen war dann: “Wow, das ist ja cool, find ich total gut!” Nicht unbedingt, weil wir Tierversuche in der biomedizinischen Forschung unterstützen – obwohl einige auch das schonmal erfrischend und wichtig fanden. Sondern vor allem, weil wir rausgehen und das heiße Eisen anpacken. Weil wir uns hinstellen und etwas offen ansprechen, das offenbar von den meisten als Thema zum Weggucken und Wegducken empfunden wird.

Wenn man frisch an die Uni kommt, dann ist genau diese Haltung das, wonach man sucht und was man erwartet: Hier wird den Dingen auf den Grund gegangen, hier wird offen die Faktenlage und dann das Pro und Contra diskutiert, hier darf man sich trefflich streiten, ohne dass es in Hass und Beschimpfungen und unsachlichen Mist ausartet. Erwartungshaltung, nicht Realität, schon klar. Aber das ist ja immerhin das Ideal, nachdem das Leben und Lernen an der Universität strebt, nicht wahr?

Und, ja, vielleicht auch das ein bisschen: Wenn man frisch an die Uni kommt, erwartet man, dass da genug vergeistigte Spinner unterwegs sind, dass man selbst für ziemlich seltsame Ansichten und Interessen jemanden findet, der sich vehement dafür einsetzt. Kanupolo, die anarchistische Internationale, und – Tierversuche.

Zumindest fasst das ganz gut die Erwartungshaltung zusammen, mit der ich selbst vor einem halben Leben an die Uni gegangen bin. Auch wenn ich damals mit 19 das nicht so hätte aussprechen können. Damals wie heute ist es das, was ich am Universitätsleben und am akademischen Dasein überhaupt so großartig finde: Auf ein “lass uns drüber diskutieren” folgt nicht ein “du kannst mich mal!”, sondern ein “dann lass mal hören!”

Die Ersties verkörpern diese Erwartung, dieses Ideal vielleicht mehr als jede andere Gruppe an der Universität. Und genau deshalb sind Ersties einfach die Besten!