Ein Kommentar zur Abschaffung aller Tierversuche

Die Schweizer Volksinitiative “Ja zum Tier- und Menschenversuchsverbot – Ja zu Forschungswegen mit Impulsen für Sicherheit und Fortschritt” hat eine wichtige rechtliche Hürde genommen: Mit der Unterschrift von 122,333 Stimmberechtigten war die Initiative erfolgreich und wird Mitte März in einer öffentlichen Aktion in Bern eingereicht. Die Verantwortlichen wollen dann eine große “Aufklärungskampagne” starten, um Bürger vom Verbot aller Tier- und Menschenversuche zu überzeugen.

Als ich zum ersten Mal von der Kampagne hörte, konnte ich nur mit dem Kopf schütteln. Jetzt bin ich schockiert. Dass eine solche Initiative erfolgreich ist, zeigt, dass das Thema Tierversuche viel zu wenig öffentlich diskutiert wurde. Das vielfach vebreitete Schweigen der Wissenschaftler führt nicht zur Akzeptanz von Tierversuchen – im Gegenteil. Die Bevölkerung – oder zumindest ein Teil derselben – scheint sich uninformiert zu fühlen. Es gibt viel zu oft nur eine Stimme, die laut zu vernehmen ist. Das ist die der Tierversuchsgegner. Seien es aufwändige Werbekampagnen, Auftritte in den sozialen Medien inklusive ausgiebiger Kommentarkriege, Demonstrationen oder die Bereitstellung von scheinbar sachlichem Informationsmaterial – die Lobby ist groß. Verlässliche, ausgewogene Informationen zu dem Thema zu finden ist schwer. Pro-Test Deutschland e.V. versucht, dort anzusetzen und einen Beitrag zu leisten. Bisher haben wir viel positive Resonanz für unsere Arbeit erhalten. Fehlt eine solche Gegenstimme, eine Stimme der Wissenschaft, steht den Tierversuchsgegner nichts im Wege. Ich möchte ihnen nicht vorwerfen, dass sie uninformiert seien oder keine Argumente hätten. Es gibt gute Argumente gegen Tierversuche – und es gibt schlechte. Ebenso gibt es gute Argumente für Tierversuche und dagegen. Daher ist eine öffentliche Debatte zu dem Thema ja so wichtig. Vielleicht kann allein das Einreichen der Initiative einen Dialog in der Schweiz, aber auch weiter in Deutschland, anregen, denn ein Verbot ausnahmslos aller Tierversuche (und darüber hinaus sogar Menschenversuche) hätte dramatische Folgen.

Eine komplette Abschaffung von Tierversuchen ist leider nicht ohne Beeinträchtigung eines Großteils der biomedizinischen Forschung möglich. Computer-Simulationen, Mikro-Dosierungen, bildgebende Verfahren und In-Vitro-Tests werden oft als Alternativen zu Tierversuchen genannt und müssen (!) immer eingesetzt werden, wo es möglich ist. Doch das geht nicht immer und es ist unwahrscheinlich, dass diese Alternativmethoden jemals Tierversuche (in ausreichendem Maße) ersetzen können – sie sind jedoch eine ganz wichtige und vor allem immer besser werdende Ergänzung und helfen dabei, die Zahl der Tierversuche zu senken. Dennoch sind sie in ihren Möglichkeiten und ihrer Aussagekraft limitiert. Der Grund hierfür ist, dass jede wissenschaftliche Methode nur bestimmte Fragen beantworten kann. Alternativen zu Tierversuchen sind keine Ersatzverfahren, denn ermöglicht die Methode eine Antwort auf eine Frage ohne den Einsatz eines Versuchstiers, dann darf der Tierversuch nicht gemacht werden. Wo der Tierversuch zur Beantwortung der Frage unabdingbar ist, dort kommen die Alternativen ins Spiel: als Ergänzung. Es ist wichtig, sich diese Unterscheidung immer wieder bewusst zu machen. Versuche an Zellkulturen, Computer-Modelle und bildgebende Verfahren sind großartige Methoden, die ganz bestimmte Fragen beantworten können. Aber ihre Limitierung besteht unter anderem darin, dass sie oft entweder auf Informationen aus Tierversuchen beruhen oder einer Validierung durch Tierversuche bedürfen. Zum Beispiel können Computer-Simulationen nur erstellt werden, wenn man bereits Informationen hat, die man in das Modell einspeisen kann. Darüber hinaus kann man Vieles simulieren, muss aber oft dann im lebenden Organismus untersuchen, ob es sich in der Realität auch wirklich so verhält, denn das Modell ist nur so gut, wie die Informationen, die wir einspeisen. In-Vitro-Experimente, die an Molekülen (wie Proteinen oder DNA) oder auch an Zellkulturen durchgeführt werden, sind sehr gut geeignet um herauszufinden, was in einer einzelnen Zelle vor sich geht. Sie sind allerdings nicht immer sinnvoll um herauszufinden, wie verschiedene Gewebe oder Organe in einem ganzen Körper arbeiten. Auf absehbare Zeit sind wir auf Untersuchungen an lebenden Tieren angewiesen, um wichtige wissenschaftliche Fragen zu beantworten und Krankheiten effektiv bekämpfen zu können. In unserer Rubrik “Themen > Alternativen” haben wir die verschiedenen Methoden noch einmal ausführlicher beschrieben.

Was mich aber eben noch mehr erschreckt als die Forderung nach der Abschaffung aller Tierversuche (die bekommen wir von Gegner nur allzu oft zu hören), ist die Forderung nach der Abschaffung aller Menschenversuche sowie nach dem Verbot des Imports an Menschen und Tieren getesteter Produkte in die Schweiz. Da muss ich ganz klar sagen: Das kann nicht funktionieren. Das ist der Tod jeder biomedizinischen wie klinischen Forschung – und wird viele Patienten das Leben kosten, denn das würde auch den Import von diversen Medikamenten betreffen. Man mag von Grundlagenforschung halten, was man möchte (Sie ist wichtig!), aber zumindest das Testen von neuen Medikamenten an freiwilligen Probanden ist unabdingbar, bevor eine Substanz auf den Markt kommen kann. In meinen Augen ist es nicht vertretbar, einem Patienten eine ungetestete Substanz zu verabreichen, deren Unbedenklichkeit und Wirksamkeit nicht vorher beschrieben wurden. Damit werden Menschenleben aufs Spiel gesetzt. Ich kann daher nur hoffen, dass die Initiative nicht erfolgreich sein wird, aber doch ein Gutes hat: eine längst überfällige Debatte über Tierversuche weiter anregen. Getreu dem Pro-Test-Motto: Wir müssen reden!

Imagine a debate on animal experiments, and no one gets upset

Pro-Test Deutschland was founded on the idea of disseminating factual information about animal research. The non-profit organization stands behind information that has been formally vetted for reliability and accuracy. Pro-Test Deutschland seeks to offer a public platform for discussing animal research.

Pro-Test Deutschland supports the idea that there is a current need for animals in basic and applied scientific research. Thus, it is a pillar of the organization’s values to offer forums for public discussion. It is crucial that members of society can openly discuss how this research is condcted in compliance with ethical and scientific standards. To fulfill this notion, a formal discussion on animal research was organized in the Tübingen town on November 7, 2016.

Three experts were invited to speak at the event, each representing a different perspective and background. There was Dr. med. vet. Barbara Grune from the Department of Experimental Toxicology and the Center for Documentation and Evaluation of Alternatives to Animal Experiments and the National Institute for Risk Assessment; Dr. Gardar Arnason from the Institute for the Ethics and History of Medicine at Tübingen University, and Dr. Lars Dittrich, a neuroscientist and representative of Pro-Test Deutschland’s chapter in Bonn.

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Paul Töbelmann (Pro-Test Germany member) introducing the expert panel (from left: Töbelmann, Arnason, Grune and Dittrich)

The event, organized in cooperation with Tübingen University, was held at the Weltethos Institute for Global Ethics. Dr. Christopher Gohl, of the Weltethos Institute, assisted with the event by moderating core segments of the discussion and facilitating the interaction between the panel and audience. There was roughly an hour of debate between the speakers, each one drawing from their own area of expertise. Dr. Dittrich spoke of his experience working with rodents as his model for sleep research; Dr. Grune spoke of the need to invest more efforts into the development of alternative methods, and Dr. Arnason spoke of the ethical and moral grounds for animal use.

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Moderator Christopher Gohl leading discussions of the panel members (from left: Gohl, Arnason, Grune, and Dittrich).

Each speaker delivered insight into how animal research has aided in the development of alternative methods, while helping to further understand the animals as well as human beings. “The public debate about animal research is very polarised, sensationalist, and often misinformed. Events such as this one are very important, to
inform the debate and to give people from both sides a chance to listen to each other,” commented Dr. Arnason

After the speakers’ addresses, the floor opened up to the audience for questions. An audience of nearly 70 people spent a good half-hour asking questions, to which they received factual answers. “The contributions and questions by the audience really demonstrated the enormous demand for such information. Why can’t we replace animal research with bodies donated by deceased people? When we say research is preferred to be performed with simpler animals if possible, what is the basis for a distinction between simpler and more complex animals? People where genuinely interested. There were many excellent questions and we discussed them in an open and civilized manner,” noted Dr. Dittrich.

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An audience of almost seventy people listening to the panel discussion.

“I thought the event was a great success. I learnt a lot about animal research and the problem of developing alternatives. I also enjoyed talking to a group of students at the end of the event about animal rights and the ethics of using animals for human purposes,” Dr. Arnason said after the event.

“There is an increasing danger that people get isolated in groups of those who share their views. The algorithms of social media platforms result in echo chambers, where the users are rarely exposed to information that contradict their views. We therefore need opportunities to come together to discuss ethical disagreements about animal research with respect for each other and with an open mind for facts and arguments that may challenge our beliefs,” said Arnason. Nevertheless, the deliberations at the event showed that there was a particular consensus amongst the speakers, and that a topic as controversial as animal research could be discussed openly in a public setting.

Getting Out There

Last weekend we hit the streets of Tübingen to broadcast an important message to the local community. By lending a voice to science, Pro-Test Deutschland opened up the disccussion for animal experimentation. Individuals passing through Tübingen’s city centre were sure to notice the PTD Pavilion and the small group of members looking to spread the word.

With the distribution of over 500 informational pamphlets, open-minded individuals could delve further into the details of using animals for scientific research. Yes, there were supporters. And, of course, there were people with questions – lots of questions. For instance, questions on the use of animals in basic research.

Answers to these questions should be clear and we aim to build transparency and provide answers to these questions. Members of Pro-Test Deutschland are educated to discuss the details of such questions with you. The direct person-to-person communication afforded an excellent opportunity to engage with our diverse community. Overall, the outreach event fostered an environment of public discourse on a very difficult topic to discuss.

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